Berechnungsmethode für Streuexperimente in der Elementarteilchenphysik wesentlich verbessert
01.12.2011
Wissenschaftler am Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben einen neuen Rekord bei der Berechnung von Streuexperimenten aufgestellt. Solche Berechnungen dienen für Vorhersagen über den Ausgang von Beschleunigerexperimenten, bei denen Teilchen mit hohen Energien aufeinanderprallen. Allerdings werden die Rechnungen immer schwieriger, je mehr Ordnungen die Physiker ausrechnen wollen. Die Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Stefan Weinzierl hat nun einen Algorithmus entwickelt, der wesentlich schneller ist und weniger Rechnerkapazitäten beansprucht als andere Algorithmen. "Wir haben einen großen Sprung gemacht und eine völlig neue Methode angewandt, mit der wir wesentlich mehr ausrechnen können als zuvor", erklärt Weinzierl. Er geht davon aus, dass das neue Berechnungsverfahren sowohl für die abgeschlossenen Experimente des Large Electron-Positron Collider (LEP), der bis 2000 beim Genfer Forschungszentrum CERN in Betrieb war, genutzt werden kann als auch für die neuen Experimente am Large Hadron Collider (LHC).
Der neue Algorithmus ermöglicht bspw. die Berechnung von physikalischen Größen beim Zusammenstoß eines Elektrons mit seinem Antiteilchen, dem Positron, bei dem ein Quark, ein Antiquark sowie Gluonen entstehen. Erstmals überhaupt konnte eine Ein-Schleifen-Berechnung (Ein-Loop-Berechnung) für 8 äußere Teilchen erstellt werden - ein neuer Weltrekord in der theoretischen Hochenergiephysik.
Präzisionsberechnungen in der Elementarteilchenphysik beruhen auf der Störungstheorie und können durch sog. Schleifen-Diagramme dargestellt werden. Je größer die Anzahl der externen Teilchen, desto schwieriger die Berechnung.
Der jetzt verwendete Algorithmus nutzt eine neue und effiziente Methode auf der Basis von Subtraktion und numerischer Integration. Die Berechnungen wurden auf einer PC-Clusteranlage am Rechenzentrum der JGU durchgeführt. Die neue Methode ist nach Darstellung von Weinzierl nicht auf Elektron-Positron-Annihilationen beschränkt, sondern kann mit geringfügigen Modifikationen auch auf Hadron-Hadron-Kollisionen angewandt werden, wie sie auch am Genfer LHC stattfinden. Damit wollen sich die theoretischen Physiker an der Uni Mainz in naher Zukunft beschäftigen.
Die Arbeiten von Weinzierl sind in das Mainzer Exzellenzcluster "Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter" (PRISMA) integriert, das den wichtigen Schritt in die abschließende Auswahlrunde der Bundesexzellenzinitiative geschafft hat und einen Förderantrag für die 2. Runde eingereicht hat.