Physik-Nobelpreisträger Theodor W. Hänsch in Mainz
(PM 16.05.2007) Einen prominenten Gastredner konnte das Physikalische Kolloquium Mainz am Dienstag begrüßen: Der Physik-Nobelpreisträger Prof. Dr. Theodor W. Hänsch zeigte in einem Vortrag vor rund 300 Zuhörerinnen und Zuhörern die Fortschritte zur immer genaueren Messung der Zeit auf, die mit der sogenannten Frequenzkammtechnik eine revolutionäre Entwicklung und neuen Höhepunkt erreicht haben. Für ihren Beitrag zur Entwicklung der auf Laser gegründeten Präzisionsspektroskopie einschließlich der optischen Frequenzkammtechnik haben Hänsch und sein amerikanischer Kollege John Hall 2005 den Nobelpreis erhalten. Mit dieser Technik war es erstmals möglich, auf einfache Weise die Schwingungen des Lichts mit höchster Präzision zu messen. „Wir sind heute so weit, dass wir 500.000 Milliarden Schwingungen in der Sekunde zählen können“, beginnt Hänsch seine Einführung. Der Wissenschaftler, Lehrstuhlinhaber für Experimentalphysik und Laserspektroskopie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, besucht bei seinem zweitägigen Aufenthalt in Mainz auch verschiedene Arbeitsgruppen an der Universität.
In seinem Vortrag mit dem Titel „Der Herzschlag des Lichts“ spannte Hänsch den Bogen von den ersten Beobachtungen Galileo Galileis an pendelnden Leuchtern über Albert Einstein und Max Planck bis zu den jüngsten Entdeckungen in der Zeitmessung, den Bogen von Sonnenuhren, Pendeluhren und Quarzuhren bis zu modernen Atomuhren. Die höchste Genauigkeit erreichten bislang Atomuhren, die ihren Takt durch den Wechsel der Elektronen von einem Energieniveau zu einem anderen erhalten. So liefert beispielsweise die Cäsium-Atomuhr der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig die Zeit für ganz Deutschland. Optische Atomuhren, wie sie durch die Frequenzkammtechnik möglich werden, könnten in Zukunft bis zu 100.000 Mal genauere Zeitmessungen erreichen – eine tausendfach höhere Genauigkeit ist nach den Worten von Hänsch zunächst „nicht ganz unrealistisch“.
Der optische Frequenzkamm ist eine Art Frequenzlineal, mit dessen Hilfe sich unbekannte Frequenzen ermitteln lassen, insbesondere aber auch Schwingungen, die noch wesentlich schneller sind als die des Cäsium-Atoms. Ein Frequenzkamm besteht aus Hunderttausenden scharfer Frequenzlinien und bildet so eine Reihe von hochpräzisen Vergleichswellenlängen. „Mit dem optischen Frequenzkamm haben wir ein verblüffend einfaches Instrument, das wie ein Uhrwerk die Schwingungen des Pendels zählt“, erläutert Hänsch seine Entwicklung.
Die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Technik gehen weit über die Verwendung als Uhren für die Zeitmessung hinaus: Sie ermöglicht zum Beispiel eine bisher unerreichte Genauigkeit bei der Satellitennavigation in Auto und Flugzeug, aber auch die Überprüfung der Quantenmechanik, einer grundlegenden Theorie der Physik. Die Überprüfung der theoretischen Annahmen war auch Ausgangspunkt und Motivation der Entwicklungen. „Mit Experimenten an dem einfachsten aller Atome, dem Wasserstoffatom, wollten wir grundlegende physikalische Gesetze prüfen“, so Hänsch. Heute kann mit Hilfe der Frequenzkammtechnik der Übergang des Wasserstoff-Elektrons auf ein höheres Energieniveau mit höchster Genauigkeit vermessen werden. Ergebnisse, die das physikalische Weltbild ins Wanken bringen, sind bisher nicht aufgetaucht.
In München arbeitet der Physiker mit seiner Gruppe mittlerweile bereits an einem Frequenzkamm der nächsten Generation, bei dem das Frequenzspektrum im extremen UV-Bereich oder im weichen Röntgenbereich liegt. Falls dies gelingt, wären damit Präzisionsmessungen auch an gespeicherten Ionen möglich, wie beispielsweise an wasserstoffähnlichem Helium, das sich festhalten lässt und dadurch besser zu untersuchen ist.
Hänsch, der im vollbesetzten Staudinger-Hörsaal des MPI für Polymerforschung vor Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden sowie in Anwesenheit von Universitätspräsident Prof. Dr. Georg Krausch die Frequenzkammtechnik vorstellte, hält sich zu einem zweitägigen Besuch in Mainz auf, bei dem er Arbeitsgruppen und Labore an der Johannes Gutenberg-Universität besucht. Verbindungen bestehen insbesondere zur Abteilung Quanten-, Atom- und Neutronenphysik (QUANTUM) am Institut für Physik, wo mit Prof. Dr. Immanuel Bloch und Prof. Dr. Jochen Walz zwei seiner ehemaligen Mitarbeiter heute als Professoren lehren und forschen – und wo auch einen Frequenzkamm nach Münchner Vorbild für Forschungsarbeiten zur Verfügung steht.
Das Physikalische Kolloquium Mainz wird vom Fachbereich Physik, Mathematik und Informatik der Johannes Gutenberg-Universität, dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung und dem Max-Planck-Institut für Chemie veranstaltet und bietet bis zum Ende des Sommersemesters 2007 weitere neun Vorträge aus unterschiedlichen Bereichen der Physik an, siehe