Skyrmionen sind Kandidaten für künftige Datenspeicherung und Informationsverarbeitung
03.02.2015
Kleine magnetische Wirbel könnten künftig die Datenspeicherung und Informationsverarbeitung revolutionieren, wenn sie auf kleinstem Raum schnell und zuverlässig zu bewegen sind. Einem Team von Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der TU Berlin ist es zusammen mit Kollegen aus den Niederlanden und der Schweiz gelungen, die Bewegung dieser Wirbel zu beobachten und experimentell zu untersuchen. Die Skyrmionen, wie die winzigen Magnetisierungswirbel nach dem britischen Kernphysiker Tony Skyrme genannt werden, folgen demnach einer komplexen Bahn und setzen ihre Bewegung auch dann weiter fort, wenn sie nicht mehr durch äußere Impulse angestoßen werden. Dieser Effekt ist entscheidend, wenn die Skyrmionen später in einem Speicher an die gewünschte Position bewegt werden sollen. Die Forschungsarbeit wurde im Fachmagazin Nature Physics mit einem Stipendiaten der Exzellenz-Graduiertenschule "Materials Science in Mainz" (MAINZ) als Erstautor publiziert.
Skyrmionen sind kleine Magnetisierungswirbel in magnetischen Materialien. Im Falle der jetzt vorgestellten Forschungsarbeit wurden Skyrmionen mit einem Durchmesser von weniger als 100 Nanometern erzeugt, was ungefähr dem Tausendstel der Dicke eines Haars entspricht. Zunächst wurden dazu an der JGU kleine magnetische Scheiben präpariert. "Wenn wir dann ein bestimmtes externes Magnetfeld anlegen, zeigen sich in der Scheibe magnetische Wirbel", erklärt Dr. Benjamin Krüger aus der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Mathias Kläui am Institut für Physik der JGU. Diese Skyrmionen wurden dann durch einen Magnetfeldpuls angestoßen, um ihre Bewegung zu verfolgen.
Die beteiligten Wissenschaftler konnten nun die Dynamik dieser Strukturen erstmals auf sehr kurzen Zeitskalen experimentell untersuchen, indem sie ein holografisches Messverfahren mit kurzen und sehr intensiven Röntgenpulsen anwendeten. Das an der TU Berlin entwickelte Verfahren kann in zeitlichen Abständen von weniger als einer Nanosekunde mehrere Bilder aufnehmen. Aus diesen Bildern lässt sich dann die Position des Wirbels ermitteln und mit theoretischen Rechnungen vergleichen.
"Die Messung zeigte, dass sich das Skyrmion auf einer sehr komplexen Bahn bewegt, einer sogenannten Hypozykloiden", erläutert Krüger. Die Tatsache, dass sich das Skyrmion auf einer solchen Kurvenbahn bewegt, setzt voraus, dass es eine gewisse Trägheit besitzt – eine Trägheit vergleichbar mit einem Auto, das sich weiterbewegt, auch nachdem das Gaspedal nicht mehr gedrückt wird. Die Trägheit des Skyrmions entsteht daher, dass sich der Wirbel verformen kann und so Energie aufnimmt. Wird das Skyrmion nicht mehr weiter durch Felder angestoßen, so führt die in ihm gespeicherte Energie zu einer weiteren Bewegung.
"Dieser Effekt wurde bisher in vielen Arbeiten nicht berücksichtigt, ist aber für die Entwicklung von sehr kleinen magnetischen Speichern essenziell", erklärt Univ.-Prof. Dr. Mathias Kläui. "Nur wenn wir diesen Effekt berücksichtigen, lässt sich der Feldpuls bestimmen, der nötig ist, um das Skyrmion später im Speicher an die gewünschte Position zu bewegen." Skyrmionen können wichtig für die Zukunft der magnetischen Datenspeicherung und Informationsverarbeitung werden. In zukünftigen Datenspeichern könnten diese Wirbel entlang eines Nanodrahts oder in anderen Nanostrukturen schnell und zuverlässig bewegt werden. Ein solcher Speicher würde auch beim Abschalten des Stroms seine Informationen behalten und es würden keine beweglichen Teile, wie der Schreib- oder Lesekopf einer Festplatte, benötigt.
Ein Vergleich mit Computersimulationen an der JGU zeigt außerdem, dass die Art der Bewegung des Skyrmions nur sehr schwach von der Form der Scheibe, in der der Wirbel erzeugt wurde, oder von Fehlern im Material beeinflusst wird. Hingegen ist eine substanzielle Abhängigkeit von der Form des Wirbels, seiner Topologie, zu beobachten. Dies lässt erwarten, dass sich das Ergebnis auf alle Arten von Skyrmionen mit derselben Topologie erweitern lässt.
"Ich freue mich neben der guten Zusammenarbeit mit den Kollegen insbesondere darüber, dass die experimentellen Messungen und auch die Theorie von Mitarbeitern aus dem Institut für Physik und der Graduiertenschule MAINZ zusammen erarbeitet wurden", ergänzt Kläui. Die Graduiertenschule MAINZ wurde in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder im Jahr 2007 bewilligt und erhielt in der zweiten Runde 2012 eine Verlängerung für weitere fünf Jahre. Sie besteht aus Arbeitsgruppen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Technischen Universität Kaiserslautern und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung. Einer der Forschungsschwerpunkte ist die Spintronik, wobei die Zusammenarbeit mit führenden internationalen Partnern eine wichtige Rolle spielt.