Internationalem Forscherteam gelingt Nachweis inhomogener Verteilung von Wassertropfen an Wolkenrändern

Untersuchung mithilfe holografischer Messungen / Veröffentlichung in Science

07.10.2015

Betrachtet man Wolken von der Erde aus, haben diese oft erstaunlich scharfe Ränder. Aus der Nähe aber sind viele weiße Strudel zu erkennen, die kurz darauf wieder verschwinden. Diese Veränderungen weisen darauf hin, dass sich am Wolkenrand trockene Luft mit Luft vermischt, die kleine Wassertröpfchen enthält. Einen solchen Mischprozess haben Wissenschaftler der US-amerikanischen Michigan Technological University in Houghton, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Max-Planck-Instituts für Chemie sowie des National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder, Colorado, USA, nun zum ersten Mal mithilfe holografischer Messungen untersucht. Eine Beschreibung dieser innovativen Methode und erste Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift Science erschienen.
"Wir konnten auf der Skala von wenigen Zentimetern nachweisen, dass die Wassertröpfchen an den Wolkenrändern nicht homogen verteilt sind. Vielmehr wechseln sich eng begrenzte Luftstreifen, die mit Tröpfchen gesättigt sind, mit Streifen trockener Luft ab", erläutert Dr. Jacob Fugal, Physiker am Institut für Physik der Atmosphäre der JGU und am Max-Planck-Institut für Chemie. Er entwickelte das Programm, mit dem die Hologrammbilder ausgewertet werden, und war bei den Forschungsflügen selbst dabei.

Gemeinsam mit Prof. Dr. Raymond Shaw vom Department of Physics der Michigan Technological University und Kollegen analysierte Fugal die dreidimensionale Verteilung der Wassertropfen am Wolkenrand. Dazu flog das Team im Jahr 2011 mit einem Forschungsflugzeug über den US-amerikanischen Bundesstaaten Wyoming und Colorado durch Cumuluswolken. Sie wählten solche aus, die keine Eispartikel enthielten, sondern nur aus Wassertröpfchen bestanden. Mit an Bord hatten sie einen holografischen Detektor für Wolken, Holodec, und machten damit dreidimensionale Bilder. Das Holodec-Instrument kann mit jedem aufgenommenen Bild einige hundert bis tausend Wolkentröpfchen dreidimensional erfassen.

Bisher gab es nur zweidimensionale Aufnahmen, aus denen die räumliche Verteilung der Tropfen am Rand einer Wolke nicht abgeleitet werden. Um jedoch Wolken in Wetter- oder Klimamodellen genau zu beschreiben, muss man auch die Prozesse an ihren Rändern kennen, da die Vermischungsprozesse vermutlich beeinflussen, wie sich eine Wolke verändert, also ob sie beispielweise schrumpft oder wächst – und letztendlich, ob es regnet.

Neben dem inhomogenen Wolkenrand deckten die Hologrammbilder noch einen weiteren interessanten Effekt auf: Während in der Mitte einer Wolke viele kleine Wassertröpfchen mit wenigen großen gleichmäßig vermischt sind, änderte sich das drastisch in den Streifen an den Wolkenrändern. Dort fanden die Forscher mehr große Tropfen. Dies lässt vermuten, dass bei Vermischung mit trockener Luft die kleinen Tropfen zuerst verdampfen und die großen Tropfen nahezu unverändert zurückbleiben. Damit liefern die Messungen eine mögliche Antwort auf eine zentrale Frage der Wolkenphysik, nämlich die, woher die großen Tropfen kommen.

Auch dieses Ergebnis ist für Wetter- und Klimamodelle relevant. Die Mischungsprozesse beeinflussen beispielsweise, wie viel Sonnenlicht durch eine Wolke in die untere Atmosphäre gelangt und wie viel zurück ins Weltall gestrahlt wird. "Durch die unterschiedliche Aufteilung der Tropfen verändern sich die optischen Eigenschaften der Wolken, sodass sie heller oder dunkler erscheinen und Licht mehr oder weniger reflektieren", erklärt Shaw.

Fugal findet die Analogie von Jeff Stith, der die Forschungsflugzeuge am NCAR verwaltet, sehr treffend. Dieser vergleicht die Mischungseffekte in der Wolkengrenzschicht mit dem Mischen eines Marmorkuchenteigs. Die feuchte Luft, die mit Tropfen angereichert ist, wäre der schokoladige Kuchenteig, die trockene Luft entspräche dem hellen Teig. Bildlich gesprochen haben Stith, Fugal und Shaw also herausgefunden, wie dünn die Grenzen zwischen dem dunkelbraunen und dem hellen Teig sind und wie viel hellbrauner Kuchenteig bei dem Mischungsvorgang am Ende herauskommt.

Das Holodec-Instrument ist eine knapp ein Meter lange Röhre, die unter der Tragfläche eines militärischen Transportflugzeugs (C130) befestigt wurde. Auf der eine Seite befindet sich eine Kamera, die über einen 15 Zentimeter langen Streifen drei Bilder pro Sekunde von den vorbeifliegenden Tröpfchen aufnimmt.

"Es hat tatsächlich funktioniert. Anschließend mussten wir jedoch noch klären, wie wir die Daten auswerten konnten", erzählt Shaw mit Blick auf die ersten Jahre, die die Forscher mit der Feinabstimmung des Holodec-Gerätes verbrachten. Außerdem mussten sie zunächst herausfinden, wie die Tröpfchen bildlich richtig dargestellt werden können. "Mittlerweile haben wir ein verbessertes Instrument gebaut und die Technik verfeinert. Außerdem sind wir nun in der Lage, die große Menge an Daten zu verarbeiten."

"Das Entschlüsseln der Daten war nur mit hochauflösenden Grafikkarten möglich, wie sie bei komplexen Computerspielen verwendet werden", erläutert Fugal. Die weitere Verarbeitung der Daten und weitere Messungen werden ihm und dem Forschungsteam nicht nur die detaillierte Visualisierung der Wolkenvermischungen ermöglichen, sondern letztendlich auch helfen, Wetter- und Klimamodelle zu verbessern. Denn die inhomogene Vermischung, die das Team entdeckte, widerspricht der Beschreibung der Auflösung von Wolken in den meisten Computermodellen.

"Es wäre korrekter zu sagen, dass einige Tröpfchen wegerodieren und die übriggebliebenen einfach so groß sind wie am Anfang", sagt Shaw, schränkt aber ein, dass die Studie auf der Messung mit nur einem einzigen Trockenstreifen in einer wasserhaltigen Cumuluswolke beruht. "Was wäre, wenn wir in den Tropen oder andere Wolkenarten messen würden? Der Verlauf wäre vielleicht anders." Für ihn und seine Kollegen wird das Holodec-Instrument sicher auch in der Zukunft einzigartige Einblicke in die mikroskopische Welt der Wolkenvermischung liefern.