Im Fokus der Atmosphärenforschung: Einfluss von Eiswolken auf das Energiebudget der Erde

Interview mit Prof. Dr. Martina Krämer zum Workshop "Clouds containing ice particles'" vom 23. bis zum 26. Juli 2023 an der JGU

 

Prof. Martina Krämer ist eine der international renommiertesten Expertinnen im Bereich der Wolkenphysik. Seit 2019 erforscht die Wissenschaftlerin vom Jülicher Institut für Stratosphäre als Fellow des Gutenberg Forschungskollegs (GFK) in Kooperation mit dem Institut für Physik der Atmosphäre der Uni Mainz die Eigenschaften von Eiswolken und ihren Einfluss auf das Energiebudget der Erde. Die Meteorologin organisiert zusammen mit Prof. Peter Spichtinger und Dr. Philipp Reutter (Uni Mainz) sowie Prof. Greg McFarquhar (Uni Oklahoma), dem Präsidenten der International Commission for Clouds and Precipitation (ICCP), einen Workshop. Unter dem Titel „Clouds containing ice particles“ treffen sich in der kommenden Woche 75 Fachleute aus 11 Ländern und 32 Institutionen in Mainz, um neueste Forschungsergebnisse zum Thema Eiswolken vorzustellen und sich darüber auszutauschen, in welche Richtung die weitere Forschung gehen muss.

 

Frau Prof. Krämer, Eiswolken galten lange Zeit als die „großen Unbekannten“ im Klimageschehen. Wie ist der heutige Wissensstand zu dem Thema?

Prof. Martina Krämer: Auch wenn es Fortschritte in der Erforschung von Eiswolken gibt, reichen diese noch nicht aus, um aus den großen Unbekannten kleinere zu machen. Der Einfluss der Eiswolken auf das Energiebudget der Erde und der Effekt im sich wandelnden Klima ist immer noch ein Fokus der Atmosphärenforschung.

Wo genau sehen Sie noch Forschungsbedarf?

Wir benötigen bessere Parametrisierungen von Eiswolken. Einerseits werden sie gebraucht, um Satellitenbeobachtungen genauer auswerten zu können, andererseits zur besseren Darstellung in Klimamodellen. An diesen Parametrisierungen arbeiten wir aktuell, basierend auf unserer großen Datenbank von In-situ-Messungen, also von Flugzeug-Messungen in großer Höhe.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die genauere Erforschung der sogenannten „In-situ“- und der „Liquid origin“-Eiswolken. Letztere beginnen ihre Karriere als Wasserwolken: Flüssige Tropfen steigen in der Atmosphäre nach oben und vereisen ab einer Höhe von etwa fünf Kilometern. Die In situ-Zirren hingegen entstehen direkt in großer Höhe als Eiswolken. Ihre Eispartikel sind in der Regel kleiner, da so weit oben weniger Wasser vorhanden ist, und haben eine andere Form.

Als Fellow des Gutenberg Forschungskollegs haben sie in den vergangenen Jahren eng mit Wissenschaftler:innen des Mainzer Instituts für Physik der Atmosphäre zusammengearbeitet. Wie sah dabei die „Arbeitsteilung“ aus?

Die Kooperation mit der Universität Mainz basiert auf einem guten Zusammenspiel von Modellierung und Beobachtungen. Prof. Peter Spichtinger und Dr. Philipp Reutter entwickeln in Mainz Computermodelle, um idealisierte Prozessstudien von Eiswolken durchzuführen. Eines dieser Modelle wurde in Jülich in das Computermodell CLaMS integriert, für großräumige, hochauflösende Atmosphärensimulationen angepasst und kann nun als CLaMS-Ice genutzt werden. Gemeinsam können wir nun ausgedehnte Cirren-Simulationen durchführen und evaluieren.

Welche Forschungsprojekte planen Sie als nächstes?

Ausgehend von unseren bisherigen Ergebnissen in Zusammenarbeit mit den Universitäten Mainz und Lille ist geplant, an globalen und regionalen Eigenschaften von In-situ- und Liquid-origin-Cirruswolken einschließlich ihrer Strahlungseffekte zu forschen. Dazu soll die Synergie von genaueren Satellitenbeobachtungen, hochauflösenden Computersimulationen und Flugzeugbeobachtungen genutzt werden. Die Ergebnisse werden unser Verständnis der globalen Variabilität, der Mechanismen der Zirrusbildung, von mikrophysikalischen Eigenschaften und Strahlungseffekten erheblich verbessern.