PC-Clusteranlage wird während vier Tagen installiert - Gesamtkosten von 1,3 Millionen Euro
(PM 08.05.08) Am Institut für Kernphysik der Johannes Gutenberg-Universität wird in dieser Woche eine Rechneranlage installiert, die herkömmliche Maßstäbe bei weitem sprengt. Die PC-Clusteranlage besteht aus 2000 Prozessorkernen, die über ein Hochgeschwindigkeitsnetzwerk miteinander verbunden sind und so gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten können. "Diese Anlage ist deutschlandweit der leistungsfähigste Rechner, der von einer Universität für ein einziges Forschungsprojekt in der Kern- und Teilchenphysik betrieben wird", sagt Projektleiter Univ.-Prof. Dr. Hartmut Wittig vom Institut für Kernphysik. Die Investitionen belaufen sich auf insgesamt 1,3 Millionen Euro. Nach Inbetriebnahme wird der Großrechner den Wissenschaftlern für numerische Simulationen in der Teilchenphysik dienen, insbesondere auch als Begleitung der Experimente am neuen Elektronenbeschleuniger MAMI C der Universität. So soll das Wirken der absolut kleinsten Teilchen unserer Materie besser verstanden werden.
Der Verbund von einzelnen Rechnern wird während vier Tagen vom 6. bis 9. Mai in einen eigens dafür umgebauten Raum am Institut für Kernphysik installiert. Für die 250 Rechenknoten – bestückt mit jeweils zwei Vierkern-Prozessoren von Intel - stehen zwei Schrankreihen bereit, die je 3,60 Meter lang und knapp zwei Meter hoch sind und mit Wasser gekühlt werden. Die Leistung der Klimaanlage entspricht der von 650 haushaltsüblichen Kühlschränken. Ist sie erst einmal in Betrieb, soll die PC-Clusteranlage den theoretischen Kernphysikern ganz neue Möglichkeiten eröffnen, um den Kräften nachzugehen, die in den Kernbausteinen wirken.
Das Interesse der Wissenschaftler gilt dem inneren Aufbau von Protonen und Neutronen, die den Atomkern bilden und ihrerseits aus noch kleineren Quarks bestehen. Der starke Zusammenhalt im Innern eines Atomkerns beruht auf der starken Wechselwirkung, eine der vier fundamentalen Kräfte in der Physik. Die Kräfte, die auf die Quarks wirken, entstehen durch sogenannte Gluonen, die zwischen den Quarks ausgetauscht werden. Zur Beschreibung dieses Kräftespiels dient die Theorie der Quantenchromodynamik (QCD). "Tatsächlich lassen sich viele Prozesse an Hochenergiebeschleunigern wie etwa am CERN in Genf durch diese Theorie erklären", erklärt Wittig die Ausgangslage. "Wie sich jedoch die unmittelbaren Eigenschaften von Protonen und Neutronen aus der Quantenchromodynamik ableiten lassen, ist noch weitgehend unverstanden. Um dies zu untersuchen reichen Rechnungen mit Bleistift und Papier nicht mehr aus. Aber auch bei der numerischen Behandlung mittels großer Computer stößt man an Grenzen."
Diese Grenzen können nun mit der neuen Rechneranlage weiter hinausgeschoben werden. Um die QCD numerisch untersuchen zu können, setzt man Quarks und Gluonen auf ein vierdimensionales Raum-Zeit-Gitter, in Analogie zu einem herkömmlichen Kristall. Um den Verhältnissen in der Natur möglichst genau zu entsprechen, muss die "Maschengröße" des Gitters immer weiter verfeinert werden. Dies erhöht jedoch drastisch die Zahl der erforderlichen Rechenschritte und daher auch die benötigte Computerkapazität. Die PC-Clusteranlage am Institut für Kernphysik ermöglicht eine effektive Rechengeschwindigkeit von 3,7 Teraflops, das sind 3,7 Billionen Rechenschritte pro Sekunde. Die Kosten für die Anlage belaufen sich auf 1,1 Millionen Euro, die im Rahmen des mittlerweile abgeschafften Hochschulbauförderungsgesetzes (HBFG) aus Bundes- und Landesmitteln sowie aus Mitteln der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt bereitgestellt wurden. Weitere 200.000 Euro fallen für den Umbau der Räume und die Kühlanlage an. Von den Simulationen erhofft sich Projektleiter Wittig ein tieferes Verständnis der Ergebnisse, die am Elektronenbeschleuniger MAMI C erzielt werden, der ebenfalls vom Institut für Kernphysik betrieben wird.
Hartmut Wittig ist seit 2005 Professor für Theoretische Kernphysik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er studierte Chemie und Physik in Mainz und Oxford und promovierte 1992 mit einer Arbeit aus der theoretischen Teilchenphysik an der Universität Hamburg, wo 1998 auch die Habilitation erfolgte. Zwischen 1992 und 2001 arbeitete Wittig als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Großbritannien an den Universitäten Southampton, Oxford und Liverpool. In diese Zeit fallen außerdem längere Aufenthalte als Gastwissenschaftler am Center for Computational Physics der Universität Tsukuba/Japan und am CERN in Genf. Von 2001 bis zu seiner Berufung nach Mainz 2005 war Wittig als Forscher in der Theoriegruppe am Deutschen Elektronen-Synchrotron/DESY in Hamburg tätig.