Der Arbeitsgruppe Quanten-, Atom- und Neutronenphysik (QUANTUM) am Institut für Physik sowie einer Arbeitsgruppe am National Institute of Standards and Technology (NIST) gelang es, Teilchen in einem harmonischen Oszillator sehr viel schneller als jemals zuvor zu bewegen
20. Juli 2012
Zwei Forschergruppen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und am National Institute of Standards and Technology (NIST) ist es gelungen, Teilchen in einem harmonischen Oszillator schneller als jemals zuvor kontrolliert zu bewegen. Neben dem grundsätzlichen Interesse an der Erforschung solcher Quantentransporte können die Resultate solcher Experimente auch einen praktischen Nutzen haben, etwa bei der Entwicklung von Quantencomputern.
Ionen, also geladene Atome, lassen sich in elektromagnetischen Fallen fangen, wobei das entsprechende Potential näherungsweise als ein sogenanntes harmonisches Potential betrachtet werden kann. Der harmonische Oszillator ist ein wohlbekanntes Modellsystem der theoretischen und experimentellen Physik, das Studenten von der klassischen Mechanik bis zur den Kursen in Quantenphysik begleitet. In einem solchen harmonischen Potential kann sich das Ion in verschiedenen Zuständen befinden, welche sich unter anderem durch unterschiedliche Energien auszeichnen – ein Phänomen, das typisch für die Quantenwelt ist.
Es stellt sich unter anderem die Frage: Wie schnell kann man ein Teilchen in einem harmonischen Potential bewegen und genau im Quantengrundzustand der Bewegung enden? Dank präziserer Kontrolle gelingt der Transport eines Ions in einem harmonischen Potential nun deutlich schneller, denn bisher wurden Transportexperimente in einem quasi-statischen Regime durchgeführt, in dem die Transportzeit weit länger war als eine Schwingungsperiode des Oszillators. Erst kürzlich ist es zwei Gruppen, der Arbeitsgruppe Quanten-, Atom- und Neutronenphysik (QUANTUM) an der JGU sowie einer Arbeitsgruppe am National Institute of Standards and Technology (NIST), gelungen diese Grenze zu durchbrechen. Dazu wurden Ionen in einer Falle in den Grundzustand des Fallenpotentials gekühlt und dann innerhalb von wenigen Mikrosekunden über hunderte von Mikrometern bewegt. Das entspricht etwa einem tausendfachen der Ausdehnung der Wellenfunktion in nur fünf Oszillations-Zyklen – und der Beschleunigung und Abbremsung von Null auf fast 300 Stundenkilometer in weniger als vier Mikrosekunden. Solch extreme Beschleunigung kann zu Anregungen während des Flugs führen, also zu einer Änderung des Zustands. Aber beide Experimente konnten unabhängig voneinander zeigen, dass der Abbremsprozess so gut kontrolliert werden kann, dass das Ion wieder in den ursprünglichen quantenmechanischen Grundzustand der Bewegung zurückkehrt. Noch erstaunlicher ist, dass selbst eine Quanten-Superposition von Grundzustand und erstem angeregten Zustand schnell und dabei vollständig kohärent transportiert wird und somit der Zustand nach dem Teilchentransport dem anfänglichen entspricht.
Für die Architektur eines skalierbaren Quantenprozessors, in dem Quantenbits in einzelnen Ionen eingeschrieben und mit dem Bewegen der Ionen zwischen verschiedenen Bereichen des Prozessors bewegt werden, ist dieses Ergebnis überaus vielversprechend, denn man kann damit kostbare Zeit sparen. Die nötigen Transportzeiten sind nun sogar kürzer als die Zeit, die für quantenlogische Operationen mit Laserpulsen benötigt wird.
Beide Resultate sind zur Veröffentlichung in Physical Review Letters angenommen.
Coherent Diabatic Ion Transport and Separation in a Multi-Zone Trap Array, R. Bowler, J. Gaebler, Y. Lin, T. R. Tan, D. Hanneke, J. D. Jost, J. P. Home, D. Leibfried, D. J. Wineland, arXiv:1206.0780
Controlling fast transport of cold trapped ions, A. Walther, F. Ziesel, T. Ruster, S. T. Dawkins, K. Ott, M. Hettrich, K. Singer, F. Schmidt-Kaler, U. Poschinger, arXiv:1206.0364