Magnetspektrometer KAOS zur Untersuchung von Kernreaktionen mit „seltsamen“ Teilchen ist offiziell eingeweiht
Ein über 100 Tonnen schwerer Dipolmagnet, gemeinsam mit einem speziellen Detektorsystem nach jahrelanger Aufbauarbeit seit Dezember 2008 erfolgreich in Betrieb und nun auch offiziell eingeweiht: das neue Magnetspektrometer in der Mainzer Kernphysik. Auf Einladung des Instituts für Kernphysik kamen am Freitag circa 100 Gäste, um das neue Spektrometer zu besichtigen und dessen Einweihung zu feiern.
„Mit dem Magnetspektrometer KAOS sind beste Voraussetzungen zur Untersuchung so genannter seltsamer Teilchen in der Mainzer Kernphysik geschaffen“, sagte Univ.-Prof. Dr. Josef Pochodzalla bei der Einweihung. Zu diesen Teilchen gehört unter anderem das 1947 entdeckte Kaon. Seltsamkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass neben den u- und d-Quarks (den Bausteinen von Protonen und Neutronen) in diesen Teilchen noch eine weitere Quarksorte vorhanden ist, die der s-Quarks. Die Erzeugung von seltsamen Teilchen an einem Elektronenbeschleuniger wie dem Mainzer Mikrotron hat viele Vorteile gegenüber konventionellen Methoden an Protonmaschinen.
Die Experimente mit dem neuen Messinstrument sollen unter anderem zu einem besseren Verständnis der Produktionswahrscheinlichkeiten von Kaonen führen, im Fokus der Mainzer Untersuchungen stehen aber insbesondere Eigenschaften von sogenannten Hyperkernen, bei denen es sich um Atomkerne mit eingelagerten seltsamen Teilchen handelt. Die Ergebnisse würden letztlich neue Einblicke in die Struktur der Materie ermöglichen, die von der Skala der Kerne bis zu der von Neutronensternen reichen, so die Erwartungen.
Das Instrument war zuvor bereits an der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) bei Darmstadt erfolgreich auf der Jagd nach den sowohl seltenen als auch seltsamen Elementarteilchen. Im Frühjahr 2003 ist das Magnetspektrometer nach Mainz gebracht worden. Die Besonderheit der Anlage in Mainz ist dabei, dass mehrere Spektrometer gemeinsam die Kernreaktionen beobachten können, wobei das KAOS sich besonders für den Nachweis der kurzlebigen Kaonen eignet, während ein komplementäres Spektrometer das Streuteilchen registriert.
Die Arbeit an dem Spektrometer erfolgt im Rahmen der Kollaboration A1, in der eine Gruppe von Physikern, Ingenieuren und Technikern den Betrieb aller Magnetspektrometer an MAMI gewährleistet. Für KAOS musste neben der Bereitstellung von mehr als einem halben Megawatt an elektrischer Leistung und mehr als 200 Litern pro Minute Kühlwasserfluss auch ein neuer Transformatorenraum eingerichtet werden. Diese Arbeiten erfolgten in enger Zusammenarbeit durch die Werkstätten des Instituts und die Baubehörden der Universität und des Landes Rheinland-Pfalz.
Die Einweihung des jüngsten Spektrometers war Teil des SPHERE Kick-off-Events am 4. und 5. Juni 2009, bei dem Forscher aus Italien, Spanien, Deutschland und der Tschechischen Republik zur Gründung des wissenschaftlichen Netzwerks „Strange Particles in Hadronic Environment Research in Europe“ (SPHERE) in Mainz zusammenkamen. Bei diesem ersten Treffen diskutierten die Wissenschaftler, unter denen auch der Humboldt-Preisträger und international bekannte Experte auf dem Gebiet der Hyperkerne Prof. Avraham Gal aus Jerusalem war, den aktuellen Stand der Forschungsprojekte. Das neue, von der EU geförderte Netzwerk soll die Erforschung seltsamer Teilchen in Hadronen effizienter werden lassen, indem es die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Gruppen innerhalb Europas optimiert.
Zentraler Punkt der Mainzer Beteiligungen sind in diesem Netzwerk Messungen mit und Entwicklungen für das KAOS-Spektrometer. Zudem sind die Mainzer bei dem PANDA-Experiment („antiProton ANnihilation at Darmstadt“) involviert, welches momentan an der neuen Beschleunigeranlage im Rahmen des Großprojekts FAIR („Facility for Antiproton and Ion Research“) bei der Darmstädter GSI aufgebaut wird.