Gottfried Münzenberg hat 218 Atomkerne entdeckt
24.07.2012
Gottfried Münzenberg und Hans Geissel, Forscher am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, haben die meisten Atomkerne entdeckt. Den Weltrekord mit insgesamt 218 Atomkernen hält Gottfried Münzenberg, der zugleich in der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Quanten-, Atom- und Neutronenphysik (QUANTUM) des Instituts für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätig ist. Auf Platz zwei folgt derzeit Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Geissel vom Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen mit 210 Atomkernen. Dies hat Prof. Michael Thoennessen von der Michigan State University in den USA zusammengezählt. Er beschäftigt sich mit der Entdeckungsgeschichte von Atomkernen und veröffentlichte die Zahlen in der Fachzeitschrift Nature.
Unsere Materie auf der Erde ist aus Atomen aufgebaut. Alle Atome, die dieselbe elektrische Ladung im Atomkern besitzen, werden als ein chemisches Element klassifiziert. Bislang sind 114 chemische Elemente bekannt. Von jedem Element gibt es unterschiedliche Sorten, die sog. Isotope, deren Atomkerne zwar dieselbe elektrische Ladung besitzen, die sich durch ihre Masse unterscheiden. Die Entdeckung eines neuen Atomkerns entspricht somit der Entdeckung eines neuen Isotops. Insgesamt haben die Forscher ca. 3.100 Isotope beobachtet, weitere tausend unbekannte sind vorausgesagt.
Besonders spannend für die Wissenschaftler sind sehr schwere oder sehr leichte Isotope eines Elements. Sie spielen zum Verständnis der Elementerzeugung in Sternen und Sternexplosionen eine große Rolle. Aufgrund ihrer Kurzlebigkeit kommen sie jedoch auf der Erde natürlich nicht vor. Wissenschaftler wie Münzenberg und Geissel versuchen deshalb, sie im Labor künstlich zu erzeugen und zu analysieren. Dazu beschleunigen sie Atomkerne und schießen sie auf Materialproben. Beim Aufprall entstehen die neuen Isotope als Fragmente. Mithilfe von Separatoren an der GSI-Beschleunigeranlage können sie aussortiert und untersucht werden.
"Angefangen mit der Erzeugung von Isotopen haben wir im Jahr 1977. Als wir die ersten neuen Kerne an ihrem Zerfall erkannten, waren wir unglaublich aufgeregt", berichtet Münzenberg, der mittlerweile im Ruhestand ist. "Wir wollen wissen, wo die Grenzen der Nuklidlandschaft sind. Wo kann Materie noch existieren? Und was für eine Form haben die Kerne? Wir wollen viele dieser exotischen Kerne finden, um die Landschaft zu entdecken, und dann die interessanten untersuchen." Von seinem Weltrekord war Münzenberg angenehm überrascht. Zwar habe er gewusst, dass er einen großen Beitrag geleistet hatte, er hätte aber nicht sagen können wie viele es waren.
Auf dem dritten Platz liegt der Wegbereiter der Kernmassenmessung, Francis William Aston aus Cambridge, der für seine Isotopen-Entdeckungen bereits 1922 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Er identifizierte Anfang des 20. Jahrhunderts viele der natürlich vorkommenden Isotope, insgesamt 207. Weitere GSI-Wissenschaftler sind ihm dicht auf den Fersen, wie Peter Armbruster auf dem vierten Platz. Aus der Liste der Top 25 haben 22 Isotopen-Entdecker auch bei GSI geforscht.
Thoennessen hat gemeinsam mit seinen Studierenden die Entdecker aller Isotopen nach Person und nach Labor anhand von wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammengetragen. Als anerkannt galt das Isotop für ihn, wenn seine Masse und seine Ladung gemessen und publiziert wurden. Das Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley in den USA führt mit 635 entdeckten Isotopen als Labor die Statistik an. Doch auch hier ist GSI bereits auf Platz zwei mit 372 Isotopen.
Münzenbergs Weltrekord wird mit großer Wahrscheinlichkeit überboten werden, wenn in den nächsten Jahren das Beschleunigerzentrum FAIR - Facility for Antiproton and Ion Research am GSI den Betrieb aufnimmt. An der FAIR-Anlage können innerhalb kürzester Zeit viele neue Isotope erzeugt werden.