Hochgenaue Vorhersagen sollen Wissenschaftlern am Genfer LHC bei der Suche nach "Neuer Physik" helfen
03.11.2011
Univ.-Prof. Dr. Matthias Neubert von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz erhält für Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der theoretischen Hochenergiephysik eine Förderung des Europäischen Forschungsrats über €2,1 Mio. Neubert kam Anfang 2007 von der Cornell University nach Mainz und hat hier die Professur für Theoretische Elementarteilchenphysik inne. Dem Europäischen Forschungsrat (European Research Council – ERC) hatte er ein Projekt vorgeschlagen, um fundamentale Fragen der Physik zum Ursprung der elektroschwachen Symmetriebrechung und der als Flavour bezeichneten Eigenschaft von Elementarteilchen zu erforschen. Neubert will die grundlegenden Naturgesetze bei winzigsten Entfernungen von 10-21 Meter untersuchen, indem er Präzisionsberechnungen von Quanteneffekten mit den Daten vergleicht, die der Beschleuniger Large Hadron Collider (LHC) am Genfer CERN liefert. Dazu erhält Neubert einen ERC Advanced Grant, die höchstdotierte Fördermaßnahme der EU, die an herausragende Forscher vergeben wird.
Das Projekt "An effective field-theory assault on the zeptometer scale: Exploring the origins of flavour and electroweak symmetry breaking" wird ab 2012 für 5 Jahre gefördert. Die Ergebnisse sollten es ermöglichen, wesentlich genauere Vorhersagen für die Versuche am LHC zu liefern als bisher. Dies wiederum könnte dabei helfen, die sog. Neue Physik überhaupt erst zu entdecken, die man sich von den Versuchen am Genfer Teilchenbeschleuniger erhofft.
"Der LHC ist für eine Untersuchung der elektroschwachen Symmetriebrechung bei kleinen Entfernungen auf der Attometer-Skala ausgelegt", erklärt Univ.-Prof. Dr. Matthias Neubert. Ein Attometer sind 10-18 Meter oder ein Billiardstel Millimeter. "Weil die laufenden Hochenergiephysik-Experimente aber noch keine klaren Anzeichen für neue Teilchen liefern, könnte es sein, dass neue Phänomene erst bei noch kleineren Entfernungen auftauchen." Möglicherweise könnte dies dann durch indirekte Methoden erfasst werden. "Um die physikalischen Phänomene und damit unsere Materie auf dieser kleinen Skala, zu der Menschen bisher noch keinen Zugang hatten, zu untersuchen, brauchen wir bahnbrechende Fortschritte in der theoretischen Physik", so Neubert.
Die Arbeiten von Univ.-Prof. Dr. Matthias Neubert und der Theoretischen Hochenergiephysik (THEP) sind in das Mainzer Exzellenzcluster "Precision Physics, Fundamental Interactions and Structure of Matter" (PRISMA) integriert, das den wichtigen Schritt in die abschließende Auswahlrunde der Bundesexzellenzinitiative geschafft hat. Neubert ist gemeinsam mit dem Physiker Univ.-Prof. Dr. Hartmut Wittig Sprecher von PRISMA. Außerdem leitet er das DFG-Graduiertenkolleg "Symmetriebrechung in fundamentalen Wechselwirkungen" und ist Direktor des Gutenberg Forschungskolleg (GFK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Matthias Neubert ist einer der höchstzitierten theoretischen Physiker Deutschlands und hat über 150 Beiträge in Fachzeitschriften verfasst.
ERC Advanced Grants werden an herausragende Wissenschaftler vergeben, um Projekte durchzuführen, die aufgrund ihres innovativen Ansatzes als hochriskant gelten, die dadurch aber erst neue Wege in dem jeweiligen Forschungsfeld eröffnen. Die Förderung erhalten nur Forscher, die bereits bedeutende Errungenschaften vorweisen können und die mindestens seit 10 Jahren auf international höchstem Niveau erfolgreich gearbeitet haben. Ausschlaggebend für die Förderung des ERC ist allein die wissenschaftliche Exzellenz der Forschenden und ihres Forschungsprojekts. Damit ist ein ERC Grant als individuelle Auszeichnung zu verstehen.